Ein Probetraining am Tag der Menschen mit Sehbehinderung
(Christiane Kaplan, Rostock am 06.06.2015)
Ich bin mir seit einiger Zeit der Tatsache bewusst, dass ich mich zu wenig bewege. Meine Heimatstadt Rostock ist wunderschön. Sie bietet jährlich einen Firmen- und einen Citylauf an, und sogar eine Radtour. Nur wer fährt mit mir mit dem Tandem mit? Wer nimmt sich Zeit und Geduld, mit mir ein Lauftraining in Angriff zu nehmen? Bis jetzt kein Partner in Sichtweite! Ich könnte schwimmen! Die Schwimmhalle ist zu den Zeiten des Behindertenschwimmens hoffnungslos überlaufen! Und ganz nebenbei bin ich – ein absoluter Goldgriff – voll berufstätig, was meine zeitliche Verfügbarkeit für den Sport einschränkt.
Also nichts wie hin zum Rostocker Kieser Studio! Samstag früh meinen Mann geweckt mit Aussicht auf einen herrlichen Sommertag, den man nicht unbedingt in einem Fitnesscenter verbringen will!
Aber versprochen ist versprochen, und ich möchte den Tag der Menschen mit Sehbehinderung nach meiner Möglichkeit erfolgreich gestalten. Ich bin begeistert, dass sich die Kieser Studios deutschlandweit an dieser Aktion beteiligen. Nachdem mich mein Gedächtnis im Stich gelassen hatte, was den Weg von der Straßenbahnhaltestelle zum Studio betrifft, war ich umso mehr erfreut, dass unsere Verspätung absolut kein Problem war. Wir erhielten eine tadellose Beschreibung zum Auffinden der Umkleidekabinen, und dann ging es erst einmal zu einem gründlichen Vorgespräch. Ich möchte noch anmerken, dass die Spinde recht geräumig sind, und dass man an der Rezeption ein Vorhängeschloss mit Schlüssel bekommt, das man an jeden beliebigen offenen Spind hängen kann. Man muss sich nur merken, welchem Spind man sein Schloss vorgehängt hat, um es nach dem Training wieder öffnen zu können. Mein Mann hat herausgefunden, dass man im Notfall auch jemanden bitten kann, das Schloss mit der Nummer zu finden, die auf dem Schlüssel eingraviert ist. Sehr praktisch, finde ich.
Herr Rolfes, Physiotherapeut am Ort, füllte gewissenhaft mit und für uns die Formulare aus. Dabei fiel auf, dass es sehr leise im Studio war. Fahrräder, Laufbänder und Crosser sucht man vergebens. Unsere Trainingsziele wurden erfasst, und anhand davon stellte der Trainer eine kleine Auswahl Maschinen zusammen, die mein Mann und ich nun ausprobieren durften.
Alle Einstellungen an den Maschinen lassen sich ohne fremde Hilfe vornehmen. Man kann Einstellungsstufen zählen, und Gewichte werden mit einer Art Metallstifte in einem Gewichte Turm durch Einstecken der Stifte in die entsprechenden Löcher eingestellt. An den Maschinen befindet sich die Buchstaben-Zahlenkombination in großer Schrift gut leserlich, und man kann eine Art Rundkurs an den Geräten absolvieren, so dass man wieder da ankommt, wo man begonnen hat. Mir gefällt, dass sich einzelne Muskelpartien gezielt an verschiedenen Maschinen trainieren lassen, und nicht nur die Muskeln, sondern auch ihre Gegenspieler. Insgesamt befinden sich auf der Fläche Maschinen zum Absolvieren von 51 verschiedenen Übungen, vom Nacken bis zum Sprunggelenk.
Wenn man sich für ein Training mit Kieser entscheidet, steht zuallererst eine medizinische Bewertung. Der Arzt wird Vorschläge zum vorher durch die Trainer aufgestellten Trainingsprogramm machen. Danach, wenn man schon im laufenden Training ist, gibt es ca. alle 20 Trainingseinheiten eine Begleitung und eine Kraftmessung, damit man seine Fortschritte auch mit Zahlen belegen kann. Ob sich die Krankenkasse an den Kosten für das Training beteiligt, muss im Einzelfall erfragt werden.
Während des Trainings habe ich mir die Frage gestellt, wie ich meine jeweilige Trainingsmaschine auffinden kann. Von manchen gibt es zwei oder vier, andere sind nur einmal vertreten. Geräusche als Markierungspunkt sind ebenfalls Fehlanzeige, denn alle Maschinen laufen, wie schon erwähnt, sehr leise. Taktile Orientierungsmerkmale gibt es auch nicht, mal abgesehen von dem gelegentlichen weißen Stützpfeiler. Damit ich selbstständig trainieren kann, und hoffentlich mit mir weitere Blinde und Sehbehinderte, sollte ein Rehabilitationslehrer sich einen Überblick verschaffen und Möglichkeiten aufzeigen, die ich nicht sehe. Eine Beschriftung der Maschinen mit Braillemarkierung ist schnell und unkompliziert getan, aber vielleicht bedarf es hie und da eines taktilen Markierungspunktes, damit man seinen Weg auch dann findet, wenn im Trainingsplan Maschinen ausgetauscht werden. Trainingskarten als solche lassen sich von einem Blinden natürlich nicht ausfüllen, aber dank moderner Technik oder auch mit einer Schreibtafel lässt sich selbstständig dokumentieren, wie man welche Maschine einstellen muss und welche Gewichte man wo bewältigt und wann man sie steigert. Hier tut es ein Organizer wie Pronto oder auch ein Aufnahmegerät, je nach Vorliebe.
In den Umkleidekabinen haben nachher sowohl mein Mann als auch ich die positive Erfahrung gemacht, dass uns geholfen wurde, wenn wir Hilfe brauchten. Ich wünsche mir für mich und andere Interessierte, dass der 06.06.2015 mit Kieser Deutschland nicht ein einmaliges Event war, sondern dass nicht nur durch die engagierten Kollegen vor Ort, sondern auch seitens der Zentrale ein inklusives Trainingserlebnis so schnell wie möglich Realität wird. Ich bin dabei!
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